
Galeria Zé dos Bois, Rua da Barroca, 59, Bairro Alto, Lisboa. Hierhin kann man immer kommen, wenn man im Bairro Alto, das ansonsten längst in seinem ganz eigenen Mainstream angekommen ist, gerne mal wieder überrascht werden möchte. Zum Beispiel von einem Sound made in Portugal, der die ganze Welt in sich trägt. Wie der von Rita Braga, die mit ihrer Musik – immer dabei: die Ukulele! – durch die Welt reist und dabei die unerwartetsten, geheimsten, seltsamsten und großartigsten Orte erobert. Und sich von ihnen erobern lässt. Was für Kombinationen von Rhythmen, Stilen und Instrumenten sorgt, die bisher unerhört waren. Jedenfalls in dieser Schönheit. Am Donnerstag, 26. März, 22 Uhr stellt Rita in der Galeria Zé dos Bois ihre neue EP vor: Gringo in São Paulo. Für Lisboa – Soulcity stellt sie ihr ganz persönliches Bairro Alto vor. Eines, das es so eigentlich gar nicht mehr gibt. Rita lässt es wieder aufleben.
Auf die Titelseite der Kulturbeilage – mit Subkultur hinter Garagentoren

Treffpunkt: Wenige Straßenzüge hinter der Galeria Zé dos Bois, in der Rua dos Caetanos, gegenüber der altehrwürdigen Musikschule des Konservatoriums. Renommiert, genau 180 Jahre alt, und in einem erbärmlichen Zustand, gegen den Schüler, Lehrer, Eltern und Alumni zurzeit ständig protestieren – weshalb die Schule von außen eher einem besetzen Altbau gleicht. Doch das ist es gar nicht, worum es Rita geht. Ihre Welt beginnt da, wo ein herkömmlicher Konservatoriumskanon endet. In diesem Falle: Hinter den Fabrik- und Garagentoren gegenüber der Escola de Música do Conservatório Nacional.

Das Tonstudio, in dem sie 2003 ihre ersten Band-Erfahrungen machte, gibt es immer noch, im Keller: Sinal 26 Studios. Was fehlt, sind die „Sunday Shows“, die damals ein Theaterkollektiv im ersten Stock organisierte: Bomba Suicida. Die Varieté-Shows waren überdreht, mit vielen Akteuren aus der Gay- und Transvestie-Szene, und offen für ambitionierte Amateure, wie die 19jährige Rita damals. Mit einer blonden Perücke auf dem Kopf sang sie You are always on my mind von Elvis, wozu ein maskierter Freund Saxophon spielte, ein anderer auf der Bühne Zeitung las und der dritte unter einem Lampenschirm ausharren musste. Der begeisterte Kommentar von El País damals: „Electro Punk is back in Lisbon“!
Mitten im Lissaboner Bairro Alto: Ein Theater mit Alternativen

Elektropunk findet keiner mehr statt hinter den Toren der Rua dos Caetanos. Doch ein Teil von Ritas Bairro-Alto-Universum ist noch da. Zu sehen von der Vorderseite des Blocks, Rua Luz Soriano, 63/67: Das Interpress-Gebäude beherbergt zwar mittlerweile vor allem Agenturen. Immerhin hat hier aber das Teatro do Bairro seine Heimat gefunden, und es zeigt immer wieder interessante Stücke zu Preisen, die man sich auch mit einem portugiesischen Durchschnittseinkommen leisten kann. Gleiches gilt für Filme, die nicht in Hollywood gedreht wurden, und für Konzerte.

Rita hatte im Interpress-Gebäude unter anderem ihr erstes eigenständiges Konzert als Blue Bobby, eine weitere Sunday Show („Made in China“, bei der sie zusammen mit einem japanischen Fado-Sänger eine Mischung aus portugiesischem Fado und japanischen Popsongs auf die Bühne brachte), und Ende 2005 auch die Präsentation ihrer zweiten EP, immer noch als Blue Bobby. Ihr damaliger Auftritt als blauhaarige Clownsversion von Barbarella kam dann allerdings nicht besonders gut an bei einem Publikum, das wohl anderes erwartet hatte und sich dabei außerdem auch noch über schlechte Sound- und Lichtverhältnisse ärgern durfte.
„Blue Bobby“ wird, was sie ist: Rita Braga

Der verpatzte Auftritt hat sie damals so verletzt, dass sie ganz aufhören wollte mit Musik. Was für ein Glück, dass sie es nicht getan hat. Zwischen 2007 und 2011 hat sie ihr musikalisches Universum in der Rua Luz Soriano unter anderem noch um Oberton-Gesang und Zusammenarbeiten mit dem Lissaboner Untergrund-Performer Presidente Drógado erweitert, bis sie schließlich im Oktober 2011 ihr erstes Rita Braga-Album hier vorstellte – und zwar im Teatro do Bairro.

Seitdem hat sie die Welt erobert, die Welt – beim Gringo in São Paulo vor allem Brasilien – ihre Musik … und genau das wird man am 26. März in der Galeria Zé dos Bois erleben. Wer danach gleich saudade nach mehr von Rita Braga hat, kann Anfang April nochmal kleine Ausschnitte aus ihrem Programm live hören, bei zwei Mini-Konzerten im Technik-Kaufhaus Fnac: Jeweils am Samstag, 4. April; um 17 Uhr in der Filiale des Einkaufszentrums Armazéns do Chiado, zu erreichen mit der grünen und der blauen Metro-Linie bis zur Station Baixa-Chiado, und um 21 Uhr im Colombo Shopping Center, gleich bei der Station Colégio Militar der blauen Metro-Linie.
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